Mit dem Team des „la vie“ im Küchengarten von Schloss Ippenburg
Wie sich ein Drei-Sterne-Restaurant in der Region versorgt
Anfang Oktober durfte das Team von Drei-Sterne-Koch Thomas Bühner aus dem Osnabrücker la vie bei seiner „Einkaufstour“ durch den Küchengarten von Schloss Ippenburg begleiten. Der Küchengarten gilt als Deutschlands größter seiner Art und wird mit viel Leidenschaft und liebe zum Detail von der Freifrau Viktoria von dem Bussche gepflegt und gestaltet. Wie es dazu kommt, dass der Drei-Sterne-Koch sich aus dem Garten bedienen darf und wie die frische Ernte schließlich im Restaurant verarbeitet wird?
Mit Thomas Bühner durch den Küchengarten der Ippenburg
Wie sich das Drei-Sterne-Haus frisch mit Blüten, Kräutern, Gemüse und Obst versorgt
Es ist Freitag, 12 Uhr. Während ein Dutzend Köche im La Vie den Mittagstisch vorbereitet und die ersten Schritte für das Abendmenü beginnen, packen Drei-Sterne-Koch Thomas Bühner und einer seiner Köche das Auto. „Sie haben die Liste?“, fragt Bühner. Mitarbeiter Konstantin Kosarenko hat sie parat. Alle Köche haben aufgeschrieben, was sie die nächsten Tage für ihre Posten brauchen. Auf zur wöchentlichen Ernte in den Küchengarten der Ippenburg.
Zitronenverbene steht ganz oben auf der Liste. „Das Zeug ist super“, sagt Kosarenko, der zur Zeit für die Fischzubereitung in dem Osnabrücker Spitzenlokal zuständig ist. Nahezu alle Kollegen nutzten Zitronenverbene, das in Deutschland besser unter dem Namen Eisenkraut bekannt ist. „Wir servieren es auch als Tee-Infusion“, erzählt Thomas Bühner. Heiß aufgegossen sei das Kraut eine tolle Alternative zum Espresso. Auch nach dem ein oder anderen Gläschen Wein zu späterer Stunde. Hält man einen Blumenstrauß des Krauts im Arm, kommt es einem wie ein großes Glas Zitronenbonbons vor. Voller Aromen und voller Frische. „Wir nutzen es auch gern für Salatdressings, Marinaden oder zum Garen von Fisch“, erzählt Konstantin Kosarenko.
Er ist einer von rund 14 Köchen, die täglich im La Vie am Herd stehen. In den Garten fahren meist nur zwei Köche. Schließlich geht die Arbeit im Restaurant weiter. Einen festen Tag für den Küchengarten gibt es nicht. „Es kommt immer darauf an, wie wir Zeit finden“, sagt Kosarenko. Pro Fahrt gehen immerhin zweieinhalb Stunden drauf. Doch Zeitaufwand hin oder her – der Garten ist ein dickes Privileg für das Osnabrücker Gourmet-Team. „Es ist ein schönes Gefühl, all die Zutaten wirklich frisch zu bekommen“, betont Thomas Bühner. Selbst geerntet, selbst aus der Erde gerissen, vom Baum oder Strauch geschnitten – frischer geht es nicht.
Vor gut vier Jahren habe Viktoria Freifrau von dem Bussche ihn angerufen und gefragt, ob er nicht mal Lust hätte, sich ihren Küchengarten anzusehen. Vielleicht könne er ja das ein oder andere für seine Speisen im La Vie nutzen. „Ich war gerade in Kopenhagen und bin nach meiner Rückkehr sofort hingefahren“, erinnert sich Bühner. Es war Mai, die Karotten und Rote Beeten waren noch recht schmal, Kräuter-und Gemüsesorten waren noch im Werden. Zwei Wochen später sah die Lage schon anders aus. Ein regelrechter Erntetraum erwartete den Spitzenkoch im Küchengarten. Die Früchte hatten Form angenommen und es entstand ein Eindruck von dem, was der wilde Bauerngarten bieten kann. „Natürlich konnten wir das gebrauchen“, erzählt Bühner rückblickend und lacht. „So etwas Tolles!“ Die erste Jahresernte ging vorüber, es war Winter und die Freifrau fragte, was sie denn für das nächste Jahr anpflanzen solle, damit alle zufrieden sind. „Ich habe ihr gesagt, sie soll das anpflanzen, wo sie Spaß dran hat“, erzählt Bühner. Wenn er ihr selbst etwas genannt hätte, wären nur Sorten dabei gewesen, die er schon kennt. So ist immer wieder etwas Neues dabei. Viel spannender.
Überhaupt hat „der Garten“, wie die Kollegen in der La Vie-Küche das 4000 Quadratmeter große Areal an der Ippenburg nennen, einige Neuerungen für die Küche mit sich gebracht. „Der Gemüseanteil auf den Tellern ist durch den Garten definitiv gestiegen“, sagt Thomas Bühner. Zudem verwenden er und sein Team nun Pflanzenbestandteile, die zuvor nicht auf der Hand lagen. Blüten und Stiele etwa bilden den Tellern heute oft das optische i-Tüpfelchen.
Genauso regelmäßig wie die Zitronenverbene werden zum Beispiel auch die blauen Blüten des Borretsch gepflückt. Der würzige, leicht süße Geschmack, gepaart mit der zarten Blütenoptik macht sich wunderbar auf dem Dessertteller. Auch in der kalten Küche der Vorspeisen wird die Borretschblüte gern verwendet. Zu den Ernteklassikern, die regelmäßig auf der Liste stehen, gehören auch Bronzefenchel, ebenfalls zum Garnieren, Karotten, Radisschen und Pastinaken. Auch Kartoffeln nimmt das Drei-Sterne-Haus gern aus dem Garten. Bei der heutigen Tour sind jedoch keine mehr zu finden. „Die Zeit ist vorbei“, sagt Bühner. „Die nehmen wir dann morgen vom Markt.“ Allzu viele benötigten sie sowieso nicht. Schließlich gibt es die Knollen nicht als klassische Sättigungsbeilage auf der Karte. Stattdessen sind heute noch ein paar Mini-Auberginen, Mini-Kohlköpfe, Mini-Fenchel und Tomaten reif. Teilweise passen sie zu den aktuellen Menüs, teilweise dienen sie dem Personalessen, das täglich frisch gekocht wird.
Die „Einkaufsliste“ ist beim Streifzug durch die Beete nur ein Wegweiser. Zwischen den unterschiedlichen Zier- und Nutzpflanzen ist darüber hinaus immer wieder etwas reif, das spontan geerntet wird. Heute sind es die Quitten. Der großzügige Baum zwischen Kapuzinerkresse und großen burgundroten Amaranth-Pflanzen hat so einiges an Ernte abzuwerfen. Wobei „werfen“ bei Quitten suboptimal sei, erklärt Bühner: „Die sollten eher vorsichtig behandelt werden.“ Also schneidet er die Früchte einzeln ab und legt sie in eine der tiefen Schalen, in denen die Ernte ins Restaurant gebracht wird. „Wir kochen daraus gern ein Quittenmus.“ Aktuell sei es zwar noch kein Bestandteil der Karte, aber es sei etwas in Planung. „Wir werden bald Trüffelravioli mit einem flüssigen Jus aus Quitten und Trüffeln haben“, sagt er. Dafür passe die Ernte ideal und könne vorab eingekocht werden.
Während Bühner die Quitten erntet, entdeckt Konstantin Kosarenko an der anderen Seite des Gartens die ersten reifen Kürbisse. Ein paar kleine Hokkaidos schneidet er ab und nimmt sie mit. Die anderen dürfen noch etwas. Der Butternuss-Kürbis etwa hat noch nicht seine helle gelb-orangefarbene Haut, er ist grün und braucht noch Zeit. Kleine Früchte, wie die Mini-Hokkaido-Kürbisse, sind übrigens grundsätzlich gern in der Spitzenküche gesehen: Vor allem Karotten und Radischen erntet das La Vie-Team lieber eine Woche früher. Hintergrund: Gerade die hübschen, kleinen Exemplare schauen auf dem Teller besonders dekorativ aus.
Nicht immer sei der Küchengarten ein so bunter, gemischter Bauerngarten gewesen, wie heute, berichtet Thomas Bühner. Das sei die Handschrift von Viktoria von dem Bussche. Alles fein säuberlich in eine Richtung gewachsen und in Reih und Glied – das sollte bei der Neuausrichtung des Gartens bewusst verhindert werden. Stattdessen stehen Zier- und Nutzpflanzen heute mehr oder weniger wild nach den Prinzipien der Mischkultur der Biogärtnerin Marie Luise Kreuter nebeneinander. Blumen für die Dekoration finden sich neben Fenchel- und Selleriepflanzen für die Küche. Kapuzinerkresse, deren Blüten ebenfalls zur Basisernte des La Vie zählen, steht dicht an dicht neben Amaranth, jungem Lauch und Mangoldpflanzen. Nur ein paar Schritte weiter der Quittenbaum, in Blickweite die Walderdbeer-Sträucher, zwischendurch ein paar restliche Himbeeren, die der Sommer noch gelassen hat. Eine bunte Erntepracht, jedes Mal mit neuen Facetten.
Weitere Infos: www.restaurant-lavie.de
Der Garten von Schloss Ippenburg ist wirklich klasse. Ich finde es schön, dass die angebauten Sorten auch nach der Ernte noch „liebevoll“ weiterverarbeitet und wertgeschätzt werden!
Ein toller Artikel!
Sophie
Vielen Dank, liebe Sophie!